NZZ: Vertical Farming - Wie Schweizer Startups die Landwirtschaft neu denken

Andrea Martel

26.07.22

NZZ Artikel

Sparsam im Umgang mit Wasser, ohne Pestizide und mit etwas Anstrengung auch CO2-neutral: Das sind die Stärken von Vertical Farming. Drei Jungfirmen wollen zeigen, dass diese neue Form von Agrarwirtschaft auch in der Schweiz Zukunft hat.

In Asien, aber auch in den USA sind sie bereits ein grosses Thema: sogenannte Vertical Farms, auf denen in Hallen unter genau kontrollierten Bedingungen Kräuter, Beeren oder Gemüse angebaut werden.

Auch in der Schweiz gibt es einige Jungfirmen, die in dieser neuen Form von Landwirtschaft Geschäftschancen sehen, denn die Nachfrage nach Lebensmitteln, die nachhaltig und wenn möglich in der Region produziert werden, steigt. So kann Vertical Farming nicht nur mit sehr wenig Wasser und ohne Pestizide betrieben werden. Gemüse und Kräuter können auch dort angebaut werden, wo keine Agrarflächen vorhanden sind, aber dafür potenzielle Kundschaft: etwa in Städten und Agglomerationen.

YASAI: Vertical Farming als Infrastruktur

Am meisten Aufmerksamkeit hat bis jetzt das Startup Yasai auf sich gezogen, das ein Trio rund um den ETH-Architekten Mark Zahran Anfang 2020 gegründet hat. Das Interesse dürfte nicht zuletzt damit zusammenhängen, dass es sich um einen ETH-Spin-off handelt, dem entsprechend viel zugetraut wird.

Das junge Unternehmen konnte bereits 7 Millionen Franken aufnehmen. Seit Februar läuft zudem ein Innosuisse-Projekt, bei dem verschiedene Institutionen Yasai dabei unterstützen, Ausbeute, Qualität, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit der Anlage zu optimieren. Das Projekt dauert drei Jahre und wird mit einer Million Franken gefördert.

Agroscope, das landwirtschaftliche Kompetenzzentrum des Bundes, untersucht beispielsweise, welche Pflanzen sich besonders gut eignen für Vertical Farming. So ist nicht klar, ob diejenigen Pflanzen, die unter natürlichen Bedingungen am besten wachsen, auch am geeignetsten sind für die Vertical Farm.

Die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) ihrerseits schaut sich die Substrate genauer an, die den Keimlingen Halt geben und es ihnen erlauben, Wurzeln zu schlagen und zu wachsen. So sollen die Substrate nicht nur gute Wachstumsbedingungen bieten, sondern auch nachhaltig sein. Die rosa Schaumstofftöpfe (siehe Bild oben), die Yasai von der niederländischen Firma Growfoam bezieht, sind zu 100 Prozent biologisch abbaubar.

Noch steht Yasai – der Name bedeutet auf Japanisch «Gemüse» und soll daran erinnern, dass Japan die Pioniernation des Vertical Farming ist – allerdings ganz am Anfang. Im Januar konnte das Startup seine Pilotanlage in einer alten Industriehalle im zürcherischen Niederhasli in Betrieb nehmen.

Fokus auf Basilikum

Angebaut wird bis jetzt hauptsächlich Basilikum, das täglich in abgepackten Portionen à 20 Gramm an Coop und Jelmoli geliefert wird. Vor kurzem sind Minze und Koriander dazugekommen, Blattgemüse und Beeren sind laut Zahran in Planung. Derzeit habe es auf den sechs Stockwerken à 100 Quadratmeter Platz für rund 50 000 Pflanzen.

Selber Vertical Farming zu betreiben, ist für Yasai allerdings nur Mittel zum Zweck. Ziel ist, dereinst «Vertical Farming as a service» anzubieten – das heisst schlüsselfertige Lösungen für Kunden, die Vertical Farming betreiben wollen. Dafür müsse man natürlich zuerst beweisen, dass sich die Anlagen rentabel betreiben liessen, sagt Zahran. «Wir haben hier die kleinstmögliche Anlage gebaut, die sich aus unserer Sicht selber tragen kann.»

Da die Anlage zudem möglichst wenig klimaschädlich sein soll, spielt die Haustechnik ebenfalls eine wichtige Rolle. Wenn es nämlich einen Vorwurf gegenüber Vertical Farming gibt, dann jenen, dass die Anbauart zu viel Strom braucht. So wird in Niederhasli die Wärme, die durch die LED-Lampen entsteht, für das Heizen des restlichen Gebäudes genutzt. Eine umfassende Lebenszyklusanalyse, die nicht zuletzt auch die CO2-Bilanz der Anlage aufzeigen soll, ist Teil des Forschungsprojekts mit der ZHAW.