Tagesanzeiger: Er will mit kleinen Pflanzen gross herauskommen

Zoë Egli

01.09.22

Kräuter aus Vertical Farming

Er will mit kleinen Pflanzen gross herauskommen

Eine Industriehalle, bis unters Dach gefüllt mit Gestellen: Der Zürcher Start-up-Unternehmer Mark Zahran produziert mit seiner Firma Yasai Kräuter – mit Erfolg.

In einigen Coop-Filialen gibt es seit Anfang Jahr Kräuter zu kaufen, die auf ungewöhnliche Weise gewachsen sind. Basilikum und Pfefferminze der Firma Yasai stammen aus einer Vertical Farm. Heisst: Die Anbauflächen der Kräuter werden in Innenräumen gestapelt. Das soll ressourcenschonender sein als die traditionelle Anbauweise.


Die Yasai-Farm in Niederhasli ZH bietet aktuell Platz für rund 50’000 Pflanzen, die wenig Pflanzenschutzmittel und Wasser benötigen. Gestartet wurde Yasai in einem Keller, erzählt Yasai-Mitgründer Mark Zahran bei einem Treffen im Büro. Als klassischer Firmenchef kommt Zahran beim Treffen nicht daher. Im Leinen-Outfit begrüsst er uns.

«Eigentlich würde ich mich als Bauern bezeichnen», sagt Zahran, der mit Yasai (Japanisch für «Gemüse») die Landwirtschaft verändern will. Ihm gehe es darum, eine Bewegung zu starten, die sich mehr mit der Zukunft unserer Ernährung auseinandersetze.

«Sprich mit jedem über deine Idee. Niemand wird sie dir klauen.» 


Ganz allein ist Zahran nicht auf die Idee gekommen. Sein «Schlüsselmoment», wie er sagt, sei gewesen, als er in Mexiko das Buch «The Vertical Farm: Feeding the World in the 21st Century» von Dickson Despommier gelesen habe. Das Bedürfnis nach revolutionärer Nachhaltigkeit habe ihn sofort angesteckt. 

Dank seinem Architektur-Abschluss an der ETH Zürich hatte Zahran eine solide Grundlage an Beziehungen, um diesen Wunsch in die Tat umzusetzen. Im «Project House» der ETH Zürich konnte er Gleichgesinnte treffen und Kontakte knüpfen. Das landwirtschaftliche Know-how musste sich Zahran aneignen: «Ich hatte keine Ahnung von Pflanzen», sagt er. Hätte er keine Kontakte zu Leuten gehabt, die sich mit Landwirtschaft auskennen, wäre es wohl anders verlaufen. Daher rät er jenen, die wie er ebenfalls eine Firma gründen wollen: «Sprich mit jedem über deine Idee. Niemand wird sie dir klauen.»


Ein ETH-Abschluss und ein Netzwerk reichen aber noch nicht, um Träume zu verwirklichen. Finanziell gestartet ist Yasai mit dem Preisgeld einer Holcim-Machbarkeitsstudie, in der die theoretische Umsetzung einer Vertical Farm auf sonst landwirtschaftlich unbrauchbarem Land überprüft wurde. Vor zwei Jahren stieg der Agrarkonzern Fenaco ein und stellte Yasai eine halbe Million Franken als Darlehen zur Verfügung.


Zudem wird das Start-up durch einen Beitrag von rund einer Million Franken von Innosuisse unterstützt, der Schweizerischen Agentur für Innovationsförderung. Innosuisse finanziert auch Firmen wie etwa die Laufschuhmarke «On» und die Vegi-Fleisch-Produzenten «Planted» mit.

Als nächstes soll Koriander wachsen

Wie Zahran beim Rundgang erzählt, hat sein Unternehmen bislang mehr als 6 Millionen Franken an Investitionen gesammelt. Dieses Vorgehen habe sich gelohnt: Nach zweieinhalb Jahren macht Yasai zwar noch keinen Profit, aber soliden Umsatz. Die Farm in Niederhasli wird dank dem Bankdarlehen verdoppelt, weitere Farmen seien geplant. Neben Grossverteilern wie Coop und Jelmoli interessiert sich auch die Gastronomie für die Kräuter von Yasai. 


Als nächstes will Yasai Koriander in die Coop-Regale bringen. Damit das Start-up schnell wächst, sammelt Yasai zusätzliches Geld durch Crowdinvesting. «Das fördert den Sinn für die Community», so Zahran. 2025 soll das Unternehmen die Gewinnschwelle erreichen, bis dahin müsse Yasai aber noch einige Hürden überwinden. «Wir verbrauchen extrem viel Kapital», sagt Zahran.


Denn die Betriebskosten der Vertical Farm seien noch zu hoch. Auch die Lieferkosten sind beträchtlich, da viele Computerchips und Leuchtdioden aus China kommen. Das bereitete Yasai insbesondere während der Pandemie Schwierigkeiten. Auch verbraucht das Start-up sehr viel Strom. Die steigenden Gaspreise machen Zahran jedoch wenig Sorgen, da er seine Farmen laut eigenen Angaben zu 100 Prozent mit erneuerbarer Energie betreibt. 

Start-up will aus Fehlern lernen

Zahran ist ein entspannter Typ. Diese Lockerheit will der 31-Jährige als Chef von 13 Mitarbeitenden vorleben: «Mir ist bewusst, dass Mitarbeitende nicht immer alles richtig machen», sagt der Yasai-Chef. Fehler zu machen, sei jedoch wichtig, denn: «Nur aus Fehlern lernt man.»


Auch der Geschäftsführer erlaubt sich, nicht immer alles zu wissen und Risiken einzugehen. Und das kann er sich – wie er selbst sagt – nur leisten, weil er jung ist und nicht unter dem Druck steht, eine Familie ernähren zu müssen. Zahran sieht das Projekt als Chance, die Welt zu verändern. Da spielt ihm der Trend zu mehr Nachhaltigkeit in die Hände. Ihm selbst ist Nachhaltigkeit wichtig, aber auf das Fliegen für Business-Trips zu verzichten, sei halt schwierig. 

Immerhin haben seine Kräuter keinen weiten, CO₂-intensiven Transportweg: Von der Farm in Niederhasli sind es 20 Kilometer bis in die Läden der Stadt Zürich.